„Wir fangen im Kindergarten an“, sagt Alfred Hörtnagl. Der Tiroler meint den SK Rapid, wenn er „wir“ sagt, und unausgesprochen klingt da ein Kompliment an die grüne Familie mit. Vor mehr als einem Jahr hat sich Österreichs wichtigster und seit Jahren in chronischen Kapitalschwierigkeiten steckender Verein entschlossen, keinen grünen Liebling wie Hans Krankl an die Macht zu lassen, sondern einen von außen kommenden Fachmann zu engagieren. Die Entscheidung hat dem Verein gut getan und zeigt, dass die führenden Vereinsfunktionäre von Präsident Rudolf Edlinger abwärts über den Rand von St. Hanappi hinausdenken.„Ich hab mich auf das Bewerbungsgespräch gar nicht extra vorbereitet“, sagt Hörtnagl, „was ich will, daran denk ich sowieso Tag und Nacht.“ Und zwar an die Vernetzung von Ausbildung und Kampfmannschaft, eine moderne Vereinsstruktur, wie sie bei den international erfolgreichen Vereinen von Ajax Amsterdam bis Arsenal längst selbstverständlich ist. In der österreichischen Bundesliga kommen immer mehr Klubs drauf, dass eine effiziente „Forschungsabteilung“, wie Frank Stronach die Nachwuchsausbildung bezeichnet, Geld für teure (Ausländer-)Einkäufe spart und ein gutes Geschäft verspricht, wenn aussichtsreiche Jungkicker verkauft werden. Das könnte bei Rapid demnächst mit Veli Kavlak passieren. Rapid investiert in die Ausbildung der Kinder (teils mittels Schulkooperationen mit der SMS und FMS 12 Hermann-Broch Gasse, Gymnasium Maroltingergasse und der Handelsschule Pernerstorfergasse), der Bundes-Nachwuchszentrums-Teams (U15, U17, U19) und der Amateure rund eine Million Euro pro Jahr. Rund 30 Betreuer pflegen die jungen Haxen.Hörtnagl: „Die Ausbildung der Spitzensportler kann nur in den Vereinen erfolgen. Wir leisten die tägliche Arbeit, wir haben den Überblick und die Verantwortung.“ Das könne den Klubs auch der ÖFB nicht abnehmen. Hörtnagl: „Der ÖFB kann uns nicht vorschreiben, wie wir unsere jungen Spieler ausbilden. Das kann bloß eine Ergänzung sein. Aber ich sehe in der Challenge zu viel Aufwand und zu wenig Ertrag.“ Zoran Barisic, der Co-Trainer von Peter Pacult, absolviere auch ohne Aufforderung durch den ÖFB zusätzliche individuelle Trainingseinheiten mit den Bedürftigen.Hörtnagl: „Viele Ideen der Challenge finde ich ja gar nicht schlecht, aber beispielsweise bei den medizinischen Tests müsste man sich besser koordinieren.“ Und es sei sinnlos, rund 60 Kicker, die teilweise viel zu alt für sinnvolle Fördermaßnahmen seien, im Challenge-Programm ausbilden zu wollen. Hörtnagl: „Der ÖFB glorifiziert das. Ich würde mir wünschen, dass sich das ein, zwei von außen kommende Experten anschauen und auf Effizienz überprüfen.“ Langsam werde die Lage besser. „Seit langem habe wir nicht so wenige Legionäre gehabt wie heuer“, sagt er, „viele glauben nicht mehr daran, dass ein drittklassiger Ausländer automatisch besser als einer unserer Jungen ist.“Auch Ex-ÖFB-Präsident Beppo Mauhart wurde jahrelang als lästig empfunden und ausgelacht, als er mit der Idee einer Bewerbung um die Ausrichtung der EURO hausieren ging. Beim dritten Anlauf hat es geklappt, es wurden Stadien neu gebaut (Innsbruck, Klagenfurt, Salzburg) oder renoviert (Happel), und die Infrastruktur rundherum wurde modernisiert. Hörtnagl: „Die EURO ist unsere Superchance zu zeigen, was der Fußball gesamtpolitisch bewirken kann.“Hörtnagl plädiert für eine neue Arbeitsatmosphäre, und er sieht mit Kollegen wie Walter Hörmann bei Sturm Graz oder Helmut Kraft, dem neuen Sportchef der Innsbrucker, die Chancen wachsen, eine zukunftsträchtige Plattform zu bilden. Rapid nimmt den Nachwuchs ernst, jetzt will Hörtnagl die Emanzipation von beengenden Denk- und Arbeitsweisen auf die nächst höhere, die Ebene der Bundesliga, heben. „Es liegt nur an der Arbeit, denn es gibt keinen objektiven Grund, warum wir die Nummer 88 auf der FIFA-Rangliste sind und Dänen, Norweger, Holländer oder Tschechen besser sein sollen als wir.“  Dank an Johann Skocek und den "Standard" für die zur Verfügungstellung des Artikels.
28.07.2015
Nachwuchs