Wenn beim Trainingsgelände in Hütteldorf, direkt hinter der West-Tribüne, untertags einmal „Harry“ gerufen wird, dann reagiert genau ein Spieler auf diesen Namen. Nein, es handelt sich dabei nicht um einen ganz frischen Neuzugang oder einen Vertreter der Rapid Amateure, der wieder mal mit der Kampfmannschaft trainiert sondern um Rene Gartler, 22 Jahre, der zu dieser Saison zurück zum Rekordmeister geholt wurde. Beim oben genannten Spitznamen hat Gartler mit seinem Klubkollegen Christopher Drazan etwas gemeinsam: Beide werden nach dem Namen ihrer Väter gerufen – Gartler also mit „Harry“ und Drazan mit „Fritz“(obwohl, oder gerade weil dieser ein violettes Urgestein ist).Mit seinem Vater verbindet Rene Gartler aber nicht nur der Nachname, denn beide spielten für den Rekordmeister beginnen wir zuerst mit dem Vater: Harry Gartler durchlief wie später der Sohn den Nachwuchs des SK Rapid. Er fiel zwar durch viele Tore auf, schaffte aber den Sprung in die Kampfmannschaft nicht. Zu übermächtig war die Konkurrenz mit Krankl und Krancjar. Der Stürmer wechselte in die Regionalliga, Red Star, Stadlau und Wiener Neudorf bildeten die nächsten Vereine, bei denen Gartler viele Tore erzielte. Als die Rapid Amateure schließlich 1998 neu gegründet, und mit Red Star zusammen gelegt wurden, brauchte man im Team ältere, erfahrene Spieler, welche die Jungen führten. Harry Gartler ging zurück nach Hütteldorf und wurde zusammen mit Rudi Weinhofer, einer Rapid-Legende, Führungsperson. In dieser Zeit kam der damals 34-Jährige seiner Berufung des Stürmers nach, erzielte Treffer um Treffer, und wurde auch Torschützenkönig in der Wiener Liga. Was eine große Visitenkarte für die Kampfmannschaft darstellte, denn bei dieser fielen gerade die Stürmer reihenweise aus – und der damalige Rapid-Trainer Heribert Weber beorderte Gartler in die Kampfmannschaft des SK Rapid. Es war der März 1998, und am Spielplan stand das Auswärtsspiel in Salzburg an - und da brauchte Rapid jeden noch verfügbaren Angreifer. Rapid verlor dieses Spiel mit 0:1, Gartler feierte aber in der 84. Minute sein Debüt in der Kampfmannschaft – nach so vielen Jahren. Und: Fast noch hätte er in der Schlussphase sogar den Ausgleich erzielt! Weil wir gerade bei kuriosen Geschichten in Grün-Weiß sind: Im Tor stand damals ein gewisser Raimund Hedl – jener Hedl, der heute mit Gartlers Sohn Rene bei Rapid spielt.Weil in den darauf folgenden Spielen die Stürmer wieder sukzessive in den Kader zurück kehrten,war für Harry Gartler wieder kein Platz. Es blieb beim seinem ersten und einzigen Einsatz bei den Profis. Insofern hat ihm sein Sohn Rene etwas voraus, denn dieser spielte, vielleicht haben es einige bereits vergessen, schon fünf Mal für Rapid – 2004 und 2005, unter Trainer Hickersberger. Wo er, der seit dem 12. Lebensjahr im Rapid-Nachwuchs kickte, aber nicht an den damaligen Stürmern vorbei kam, auch Verletzungen warfen ihn zurück. Um Spielpraxis zu sammeln, ging er nach St. Pölten und Kapfenberg. Von dort zurück zu Rapids Amateuren. Dann zum FC Lustenau, wo er sich unter Trainer Eric Orie sehr gut weiterentwickelte – so gut, dass er letztes Jahr Torschützenkönig in der Ersten Liga wurde. Und von Rapid zurück geholt wurde, diesmal aber gleich zu den Profis. Rene Gartler zeigte auch hier seinen Torhunger, alles lief gut, bis…ja, bis zum letzten Testspiel vor Saisonstart: Er brach sich in seinem Zweikampf den Mittelfußknochen. Seither arbeitete er mit Rapid-Fitnesscoach Christian Canestrini hart an seiner Rückkehr, und kam am vergangenen Freitag beim Testspiel gegen Streda zu seinem ersten Einsatz seit der Verletzung. Und gleich bei seinem Comeback erzielte er den Treffer zum 2:0. Ein Tor, hinter dem nicht nur Willenskraft, sondern sehr viel Arbeit steckt. Doch wie das Verletzungspech so spielt, folgt die nächste unschöne Nachricht sogleich: Rene Gartler zog sich gestern eine starke Oberschenkelzerrung zu und fehlt in den nächsten Wochen. Hoffen wir also, dass die schönen Stunden in Grün-Weiß für den Stürmer nach der Verletzung nun endlich die Überhand gewinnen mögen... (gub)
28.07.2015