Leopold, Sie werden heute, am 16. März, stolze 89 Jahre alt – und sind seit Ihrer Jugend Rapid verbunden. Können Sie sich noch erinnern, wie der erste Kontakt mit unserem Verein zustande kam?Leopold Gernhardt: Als Schüler mit ungefähr 12 Jahren hat mich der Hermann Dvoracek, der später den Spitznamen „Japaner“ bekommen hat (Anmerkung: Hermann Dvoracek war ebenfalls Rapidler und hat asiatische Wurzeln), einmal angesprochen, ob ich nicht mitkommen mag zum Training beim Rapid-Platz. Er hatte dann Training, da wurden Torschüsse und Eckbälle geübt. Ich bin halt auf der Seite gestanden, und wenn die Bälle ins Out gegangen sind, bin ich hin und hab sie zu den Spielern zurück geschossen. Plötzlich kam der Trainer und fragte mich: „Wie heißt du und wo spielst? Willst net zu Rapid kommen?“ Ich erklärte: „Zu Rapid wollen 200 Kinder!“ Damals tummelten sich ja immer an die 100 Buam bei den Trainings und nur fünf sind im Schnitt genommen werden. Ich wurde dann eingeladen und das war eigentlich mein Beginn in Grün-Weiß.Bei Ihrem Debüt bei den Profis (24.9.1939, gegen Vienna) gab es ja auch eine amüsante Anekdote, oder?Ja, das Spiel hat auf der Pfarrwiese stattgefunden, bei regnerischem Wetter, der Rasen war nass. Ich hab als rechter Läufer gespielt und mir gleich was geleistet. Da ist eine Flanke in unseren Strafraum gekommen, ich versuchte den Ball zu erwischen und zack, ist er mir auf den Spitz gefallen und von dort ins eigene Goal gekugelt. Mein erstes Spiel und ich bring‘ Rapid in Rückstand! Am Ende haben wir dann 1:2 verloren. Auf welcher Position haben Sie gespielt?Das ist lustig: Mit Ausnahme von Linksaußen eigentlich alles. Sogar im Tor bin ich einmal gestanden, weil bedingt durch die Kriegsjahre manchmal ein Spielermangel herrschte. Hauptsächlich hab ich auf der rechten Seite gespielt, war aber auch manchmal Center-Stürmer, der heutige Mittelstürmer.Sie haben 16 (!) Saisonen bei Rapid gespielt, und dabei einiges erlebt. Woran erinnern Sie sich besonders gerne?An das 6:1 in einem Freundschaftsspiel gegen Arsenal London (1953). Das war in Brügge, und die Londoner gerade englischer Meister. Wir sind über die drüber gefahren, dass' nur so geschaut haben. Mir ist auch ein Tor gelungen: Ein Freistoß ist mir abgerissen, und ich hab den Tormann auf dem falschen Fuß erwischt – das war die 1:0-Führung. Das war ja ein ordentlicher Einstand für Sie. Wenn Sie über den Spieler Gernhardt sprechen, wie würden Sie sich rückblickend selbst charakterisieren?Als zweikampfstarken Allrounder, der nie unfair war. Ich hab nie ein Foul von hinten gemacht, der Schiedsrichter hat mich auch nie ausgeschlossen. Das haben auch die Mitspieler anerkannt, wir hatten eigentlich immer eine gute Stimmung. Nur einmal nicht: Der Sektionsleiter Franz „Bimbo“ Binder wollte statt mir den Hanappi holen und mich draußen haben aus der Mannschaft. Ich hab mich gewehrt und durch meine Leistungen gezeigt: Nicht mit mir, ich gehöre rein in diese Mannschaft! Ich hab mich dann auch durchgesetzt. Bitter war’s für mich, als man mir 1954 gesagt hat, ich sei bei der WM für das Nationalteam (Anmerkung: 27 Einsätze) nicht mehr fit genug – obwohl ich körperlich noch total gut beinand‘ war. Dann bin ich halt als Schlachtenbummler mitgefahren und hab das Team so unterstützt.Sie waren damals mit dabei, als Rapid 1941 Deutscher Meister wurde, nach dem legendären 4:3 gegen Schalke 04.Die Deutschen haben schon 3:0 geführt und wir drehten das Spiel noch. Das war unvergesslich, vor 90.000 Zuschauern, auch viele Rapid-Fans waren dabei. Schon damals war das so, dass wir die Stadien gefüllt haben. Zurück zum Spiel: Die führen schon 2:0, , mehr als 20 Minuten waren gespielt, da sag ich zu einem meiner Mitspieler: „Hast du schon einen Ball berührt?“ Sagt er drauf: „Na.“ Ich: „I a net!“ Schalke hat damals erstmals den gefürchteten Kreisl gespielt, und wir haben lange keinen Ball gesehen. Aber gewonnen haben wir.Etwas, das man heute vielleicht auch nicht mehr so in Erinnerung hat, sind die Reisen Rapids durch Südamerika. Das war wirklich sehr anstrengend: Wir haben bis zu 80 Spiele auf den unterschiedlichen Kontinenten absolviert, nicht nur in Südamerika, auch in Australien. Rapid war damals eine internationale Topmannschaft. Bei diesen Reisen haben wir nichts anderes gemacht, als durch unsere Spiele Geld zu erwirtschaften, damit der Klub überleben kann. Hie und da kam es auch vor, dass ein Veranstalter im Vorfeld nicht bezahlt hat. So haben wir uns auf der einen Seite des Platzes umgezogen, während unser Rapid-Manager, der Gold-Maxl, auf der anderen Seite mit dem Verein verhandelt hat. Wenn er dann mit einem weißen Tuch in unsere Richtung gewachelt hat, war klar: Das Geld ist da, wir werden spielen.Apropos Geld: Wenn Sie in einer so starken Rapid gespielt haben, gab es sicher auch Angebote von anderen Vereinen?Na sicher. In Sao Paolo wollten’s mich vom Fleck weg engagieren, aber das kam für mich gar nicht in Frage. Weil ich mir in Wien gerade ein Lebensmittelgeschäft aufgebaut hatte. Auch die Austrianer hätten mich gern gehabt, dort hätte ich das Vier- bis Fünffache verdient, was ich bei Rapid bekommen hab. Für mich war aber klar: Um kein Geld der Welt gehe ich weg, ich bleib‘ in Hütteldorf!Wenn sie den heutigen Fußball anschauen, was geht Ihnen da durch den Kopf?Die Fouls, die regen mich wahnsinnig auf. Die Spieler heute hauen teilweise rein, das ist eine Unart. Auch wenn’s wieder heißt: „Eh kloa, der Alte soll reden“, aber das hat’s bei uns einfach nicht gegeben. Normal müsstest‘ dafür Geldstrafen verhängen. Aber klar, das Spiel ist temporeicher geworden, aber leider auch gehässiger. Woran ich mich noch gut erinnere, sind die Derbys, das waren für uns die Spiele des Jahres. Da ging es um die Vorherrschaft in Wien. Und spätestens bei diesen Partien wurde uns immer deutlich bewusst, wie stolz wir eigentlich sein können, bei Rapid spielen zu dürfen – und am Besten nirgendwo anders.Wir wünschen Ihnen alles Gute zum Geburtstag und vielen Dank für das Interview.Gerne- und viel Erfolg für die Mannschaft!Infos zu Leopold Gernhardt: www.rapidarchiv.at (-> Spieler)
28.07.2015
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