Lothar Matthäus, Trainer sowohl mit Hütteldorfer als auch mit israelischer Vergangenheit (Maccabi Netanja), hatte für das Hinspiel zwischen Hapoel Tel Aviv und Rapid ein 2:2 getippt. Ein Ergebnis, das Grün-Weiß mit Handkuss genommen hätte. Leider wurde es eines der schlimmsten Debakel der Europacup-Geschichte. 5:1 für die Roten, eine „5. Symphonie“, wie die offizielle Website des israelischen Vizemeisters noch Tage später beglückt trommeln sollte. Diesen Tusch hatten nicht einmal die Auskenner der internationalen Fußballbibel „World Soccer“  Hapoel (hebräisch für Arbeiter) zugetraut.  Ihre Expertise: „Sie waren immer schon traditionell stark in der Abwehr, aber viele Tore schießen sie nicht.“ Und dann rockte der Erzrivale von Maccabi Tel Aviv am 22. Oktober im Bloomfield-Stadion von Jaffa, wo schon die Scorpions oder die Black Eyed Peas gegeigt hatten, die Rapidler, dass ihnen Hören und Sehen verging.  „Hapoel steht für „Leinen-Los-Fußball“, bilanzierte ein aufgeregter SAT-1-Reporter Wolf Fuss, „das war eine Demonstration und eine heftige Watsch’n für Rapid“. In Hamburg hatten die Israelis noch selbst eine vor den Bug geknallt bekommen – 2:4 beim HSV nach dem 2:1-Heimsieg gegen Celtic zum Auftakt der Europa-League-Gruppe C. Peter Pacult nahm die Abfuhr bei 23 Grad erstaunlich kühl zur Kenntnis:  „Man muss schon auch akzeptieren, dass andere Teams gute Spieler haben. Hapoel hat sich nach dem 1:1-Pausenstand in einen Spielrausch gesteigert. So einen Gegner haben wir in Österreich nicht – wir haben uns einfach nicht auf diesen Stil einstellen können.“Sein Gegenüber Eli Guttman scheint Wunder gewirkt zu haben. Mitten in der Saison 2007/08 hatte er den 12-fachen Meister und Cupsieger übernommen, nachdem sein Vorgänger Guy Luzon einen klassischen Anti-Lauf hingelegt hatte. Erfolgreich integrierte der Trainer mit dem Spitznamen „Der Deutsche“ Disziplin und Ordnung in die 4-4-2-Formation. Vor dem 5:1 gefiel sich der 51-Jährige, der als Fußballer keine Qualität für eine erste Liga mitbrachte, auch noch als Tiefstapler – dabei wußte er um die Pfeile im Köcher: Im Sommer angelte man sich aus der heimischen Liga Außenverteidiger Ben Dayan und Teamstürmer Itay Shechter – Schütze des 3:1 und generell von imponierender Präsenz. Auch die anderen Eckpfeiler sind nicht von schlechten Eltern: Schon länger gilt der nigerianische Internationale Vincent Enyeama als verläßlicher Rückhalt im Tor. Im Mittelfeld glänzt die Glatze des Serben Nemanja Vucicevic, ein alter Bekannter aus Steffen Hofmanns trostlosem Intermezzo bei 1860 München. Gil Vermout, der das 4:1 erzielte, kommt nicht als Flasche daher, sondern als Freigeist und kreativer Ideengeber. Und der Georgier Menteshashvili, eigentlich Abräumer im Mittelfeld, sorgte im Hinspiel für das spektakulärste Highlight und die 2:1-Vorentscheidung: Aus rund 30 Metern ließ er Helge Payer grüßen.Der Aufschwung von Hapoel (in den vergangenen Jahren einmal im Viertel- und einmal im Achtelfinale des UEFA-Cups) und des israelischen Vereinsfußballs insgesamt kommt freilich nicht ganz unerwartet. Seit dem Beitritt zur UEFA 1992 läuft es rund. Bis dahin war Israel aus den sattsam bekannten politischen Gründen heimatlos: Nachdem sich 1948 der im selben Jahr gegründete israelische Fußballverband dem asiatischen Kontinentalverband Asian Football Association (AFA) angeschlossen hatte, war bei den moslemischen AFA-Mitgliedern Feuer am Dach: Drohungen, Ausschlüsse, jahrelanger Streit. Das Nationalteam Israels mußte aus Asien flüchten und in der europäischen und sogar ozeanischen WM-Qualifikation antreten. Jetzt, mit dem beruhigenden Gefühl einer dauerhaften Heimat in Europa, lässt es sich befreiter spielen. Die Nachwuchsarbeit trägt Früchte, und die Vereine genießen längst dank einer Entpolitisierungs- und Professionalisierungsphase weitaus größere wirtschaftliche Freiheiten. Private Geldgeber haben sich die traditionell sozialdemokratisch angehauchten Hapoel-Vereine angelacht. Speziell Hapoel Tel Aviv scheint mit seinen Investments alles richtig gemacht zu haben. Aber Rapid kann der Fußballwelt noch immer das Gegenteil beweisen. Am Donnerstag Abend, ab 19 Uhr. Fakten:Gründungsdatum: 1927 (Fusion mit Allenby FC)Stadion: Bloomfield in Jaffa (Fassungsvermögen 16.000 auch Maccabi Tel Aviv und Bnei Yehuda spielen dort)Erfolge: 12 Mal israelischer Meister (1934, 1935, 1938, 1940, 1943, 1957, 1966, 1969, 1981, 1986, 1988, 2000)12 Mal Cupsieger (1928, 1934, 1937, 1938, 1939, 1961, 1972, 1983, 1999, 2000, 2006, 2007) 1 Mal Asiencup-Sieger (1967 durch ein 2:1 über FA Selangor/Malaysia)(aj)
28.07.2015
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