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03.02.2021
Profis

„Für mein Herz wäre es definitiv besser“

Der 3. Juni des vergangenen Jahres im Spitzenspiel gegen RB Salzburg. Christopher Dibon blieb nach einem unscheinbaren Zweikampf mit schmerzverzerrtem Gesicht liegen. Die schlimmsten Befürchtungen bestätigten sich - Kreuzbandriss! Sieben Monate später ist das Comeback wieder zum Greifen nah, dennoch ist Geduld gefragt. Im Interview spricht Christopher Dibon über die mentale Herausforderung, den harten Weg zurück zu alter Stärke und verrät uns, was es mit den Lernunterlagen bei Auswärtsfahrten auf sich hat.

skrapid.at: Seit Anfang Juni des vergangenen Jahres laborierst du an einem Kreuzbandriss – die wichtigste Frage somit vorab: wie geht es dir und wie verläuft der Heilungsprozess?

Es sind jetzt auch schon wieder sieben Monate vergangen, mit der ein oder anderen Begleitverletzung dauert ein Kreuzbandriss sechs bis neun Monate, das Belegen auch die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu. Ich befinde mich auf einem guten Weg zurück und dafür gebührt unserer medizinischen Abteilung ein großer Dank. Aufgrund meiner Vorgeschichten macht es aber umso mehr Sinn dem Heilungsprozess seine Zeit zu geben. Die Reha ist wie eine Achterbahnfahrt mit vielen Höhen und Tiefen, wo es einfach wichtig ist darauf zu hören was einem der Körper signalisiert. Das ist nicht immer einfach, dennoch bin ich sehr positiv gestimmt und davon überzeugt, dass ich Schritt für Schritt immer mehr am Mannschaftstraining teilnehmen kann.

Syndesmosebandriss, Wadenbeinbruch, Hüft-OP - die Liste ist lang und dann erneut so eine schwere Verletzung. Sowohl aus körperlicher als auch mentaler Sicht – wie herausfordernd sind solche ständigen Rückschläge?

Am Anfang war es ein unglaublicher Schock, wo ich mental für zwei bis drei Wochen in ein kleines Loch gefallen bin, das hat mir schon sehr viel abverlangt. Eine Phase aus der mir aber meine Frau, Familie, Freunde und vor allem auch unsere Vereinsverantwortlichen geholfen haben, indem sie mir den Rücken gestärkt und positiv zugesprochen haben. Danach richtete sich der Fokus schnell wieder auf den bevorstehenden Heilungsprozess. Im Reha-Training geht einmal mehr einmal weniger weiter und jetzt gerade ist wieder so eine Phase, wo der Körper signalisiert, dass ich geduldiger sein muss. Das alles beansprucht die mentale Komponente enorm, weil man vom Gefühl her einfach glaubt, bereits einen Schritt weiter zu sein als es der Körper tatsächlich ist. Deshalb muss man sehr genau auf seinen Körper hören, immer wieder neue Reize setzen und sich vor allem auch Ruhephasen gönnen. Für mein Herz wäre es allerdings definitiv besser, wenn ich schnellstmöglich wieder am Platz stehen und aktiv mitwirken könnte, denn das fühlt sich in der Zuschauerrolle alles andere als wohl.

Du bist ein Vorzeigeprofi sowohl auf als auch abseits des Platzes, achtest sehr auf deinen Körper und deine Ernährung. Verletzungen sind immer gepaart mit viel Pech und unglücklichen Bewegungen. Lassen sich solch schwere Verletzungen auf irgendeine Art und Weise erklären?

In der Anfangszeit habe ich nach Antworten auf meine Fragen gesucht, warum passiert mir das immer? was mache ich falsch? umso wichtiger war es, dass ich mich schnellstmöglich von diesen Gedankengängen lösen konnte, eine klare Antwort wird man auf solche Fragen nicht finden. Je länger man sich damit aber beschäftigt, desto länger dauert es auch, bis man mit der Situation zurechtkommt und wodurch man wiederum viel wertvolle Zeit verliert. Ich bin ein Mensch, der sehr viel dem Sport unterordnet und abseits des Platzes immer wieder neue Dinge ausprobiert, sei es bei neuen Trainingsmethoden wie Yoga oder der Ernährung. Auf der anderen Seite gibt es die Spieler, die sich mit all dem nicht beschäftigen und bei weitem nicht so viel Zeit in ihre Leidenschaft investieren und dennoch von groben Verletzungen verschont bleiben. Deshalb glaube ich das es einfach kein richtig oder falsch gibt. Ich habe nach wie vor die Motivation, den Antrieb und die Liebe zu diesem Sport, um mich durch diesen Prozess durch zu quälen. Verletzungen sind einfach ein Teil meiner Karriere, damit habe ich mich abgefunden, unterkriegen wird mich aber kaum eine.

Das Lachen ist wieder zurück, der Ball wieder am Fuß.

Die aktuelle Situation ist keine neue für dich. Lässt sich aus verletzungsbedingten Rückschlägen auch etwas Positives mitnehmen? Vielleicht Erfahrungswerte, von denen du jetzt sogar profitieren kannst, da dir der Prozess einer Rehabilitation vertraut ist.

Aus jeder Verletzung kann man etwas mitnehmen, das auf alle Fälle. Allerdings hätte ich auch kein Problem damit, wenn ich die ein oder andere Verletzung nicht gehabt hätte und mir dadurch eventuell Erfahrungswerte fehlen würden. Es ist der Lauf des Lebens, Situationen so anzunehmen wie sie kommen und zu versuchen das Bestmöglich daraus zu machen. Natürlich kenne ich meinen Körper jetzt um einiges besser und habe neue Blickwinkel auf den Sport dazugewonnen. Dennoch, eine jede Karriere ist mit einem Ablaufdatum versehen, auch wenn der Trainer meint, dass man verlorene Zeit durch Verletzungen am Ende einer Karriere dranhängen soll (lacht). Das würde ich mir in meinem Fall natürlich auch wünschen, dafür muss der Körper mitspielen und mit den unterschiedlichen Belastungen zurechtkommen. Bis jetzt bin ich immer noch stärker zurückgekommen und das wird auch dieses Mal so sein, dieses Versprechen habe ich mir selbst gegeben.

Im Herbst hast du gezwungenermaßen die Rolle des Führungsspielers gegen jene des Zuschauers tauschen müssen. Ganz gleich ob national oder international, Heimspiel oder Auswärtsspiel, du warst fast immer live dabei. Das ist alles andere als üblich – wie wichtig war es dir, dass du weiterhin so nah wie möglich an der Mannschaft dran sein konntest?

Für mich persönlich war das unglaublich wichtig, gerade weil ich eben nicht selbst am Platz stehen konnte. Ich bin jetzt in meiner 8. Saison bei Rapid und habe mir über die Jahre auch intern ein gewisses Standing erarbeitet. Da spielt es überhaupt keine Rolle ob ich verletzt bin oder nicht, ich bin ein Mann der klaren Worte und einer derjenigen, die auch kritische Dinge sehr direkt ansprechen. All das mache ich aber immer im Wohle der Mannschaft, deshalb habe ich auch kein Problem, wenn dann mal ein Spieler etwas beleidigt ist, der mannschaftliche Erfolg steht bei mir immer an erster Stelle und das versuche ich auch vorzuleben. Zudem komme ich noch aus einer Generation wo es generell am Platz etwas schärfer zur Sache gegangen ist, ohne dabei jetzt sagen zu wollen, dass früher alles besser oder schlechter war. Der Fußball hat sich über die Jahre in all seinen Facetten weiterentwickelt. Wir sind eine sehr junge Mannschaft, umso wichtiger ist es, dass es da dann eben auch Spieler im Team gibt, die sich kein Blatt vor den Mund nehmen und auch mal auf den Tisch hauen können. Das braucht es in einer Mannschaft, es darf und soll sogar nicht immer nur alles rosig sein in der Kabine.

Die Winterpause war heuer eine sehr kurze. Du hast dir selbst aber kaum eine Pause gegönnt, hast über die Weihnachtstage in der Kraftkammer an deinem Comeback gearbeitet. Kann man schon eine Prognose abgeben, ab wann wieder mit dir zu rechnen sein wird?

Wenn ich eines gelernt habe, dann das etwaige Prognosen über ein Comeback keinen Sinn machen, ganz im Gegenteil sogar, sowas erzeugt unnötigen Druck. Mein Körper muss einfach bereit sein und momentan ist es einfach so, dass manche Einheiten besser und manche schlechter weggesteckt werden können. Deshalb setzte ich mich nicht unter Zeitdruck, obwohl ich mir natürlich wünschen würde, lieber heute als morgen wieder mit den Jungs auf dem Platz stehen zu können. Wir befinden uns im Zeitplan, die Reha läuft gut voran und das ist aktuell das Wichtigste für mich.

Bis dahin bleibt also noch Zeit für Dinge, die sonst oftmals etwas zu kurz kommen. Bei Auswärtsreisen war ein treuer Begleiter von dir dein Laptop – nicht als Zeitvertreib, sondern als Mittel zur Weiterbildung.

Ich mache seit einem Jahr die Berufsreifeprüfung nach. Im letzten Jahr habe ich die Deutsch-Matura positiv abgelegt, als nächstes steht die Prüfung im Fach „Sportmanagement“ am Plan. Ich habe bei den Auswärtsreisen, vor allem international, die Zeit einfach gut nutzen können, um diverse Arbeiten zu schreiben und das hat mir Spaß gemacht. Aber auch mit der Matura lege ich mir keinen Zeitdruck auf, oberste Priorität hat mein Comeback und auf das arbeite ich tagtäglich hin. Die Ausbildung ist zwar eine gewisse Ablenkung, darf aber dem Fußball nie im Wege stehen und das ist bei mir auch nicht der Fall, dafür liebe ich den Sport zu sehr.

Das führt uns wieder zu deiner Verletzungshistorie. Waren diese negativen Erlebnisse ein Mitgrund dafür, dass du dich entschieden hast einen zusätzlichen Ausbildungsweg neben der Fußballkarriere einzuschlagen?

Prinzipiell war ich immer ein guter Schüler mit guten Noten, aber nach dem Handelsschul-Abschluss ergab sich eben die Möglichkeit mit einer eventuellen Profikarriere und diesem Ziel habe ich von da an alles untergeordnet. Mir war aber immer bewusst, dass ich mich auch während der Karriere weiterbilden möchte, daher ist die Matura ein guter Anfang, weil mir eben dadurch mehr Türen offen stehen. Wie gesagt, jetzt während der Verletzung war und ist es eine gute Ablenkung, um den Kopf etwas freizubekommen. Ich fühl mich dadurch aber nicht als intelligenterer Mensch, ich mach das einfach für mich, es macht mir Spaß und tut mir gut.

Zum Abschluss: Wie sehen deine persönlichen Ziele für das Jahr 2021 aus?

Sportlich natürlich, dass ich wieder zu alter Stärke zurückfinde und zeitnah am Platz stehen kann. In Zeiten wie diesen lernt man die Gesundheit zu schätzen, das wünsche ich nicht nur meiner Familie und meinen Freunden, sondern allen Menschen. Gesundheit ist einfach alles, ganz nach dem Spruch: Gesundheit ist nicht alles, aber ohne Gesundheit ist alles nichts.

Fotos: Red Ring Shots, GEPA