Teil 2: Dass der Europacup oft mit Reisen in fußballerisch unbekannte Länder verbunden ist, diese Erfahrung machte Rapid in der nächsten Runde – gegen den georgischen Klub Dinamo Tiflis. Mittlerweile war man in der zweiten Phase der UEFA-Cup-Qualifikation angelangt, zuerst wartete das Auswärtsspiel. Viel über den Status Quo von Dinamo war nicht bekannt: In Georgien dominierte der Klub, auf europäischer Ebene konzentrierten sich die Erfolge auf den Sieg im Cup der Cupsieger (1981) und diverse Versuche, im UEFA-Cup zu reüssieren, die bis in die Gegenwart reichen. Doch bekanntlich sind auch Gegner, von denen man nicht viel weiß, nicht zu unterschätzen. Mit dieser Devise im Gepäck reiste die Rapid-Mannschaft nach Georgien, wo der erste Kontrahent nicht Dinamo Tiflis hieß, sondern an die 40 Grad im Schatten. Auch das Spielfeld hatte schon bessere Zeiten gesehen – vielleicht aber war genau das der Gedankengang von Trainer Pacult, einen Stürmer spielen zu lassen, welcher mit diesen Gegebenheiten bereits Erfahrung machte: Den Brasilianer Fabiano, der in seiner Kindheit auf schwer bespielbaren Plätzen kickte, der sengenden Hitze zum Trotz. Es zahlte sich aus: Fabiano staubte ab und erzielte sein erstes Tor für Rapid. Kurz vor der Pause trat Steffen Hofmann zu einem Freistoß an, schon stand es 2:0 für die Gäste. Ein Schock, von dem sich die bis dahin eher harmlosen Georgier nicht wieder erholten sollten. Rapid kontrollierte das Spiel, und als Mario Bazina einen schön ausgeführten Konter zum 3:0 abschloss, war der Auswärtssieg beschlossene Sache. Ein Resultat, das für das Rückspiel viele Optionen offen ließ. Zwei Wochen später wollte man vom kolportierten, sicheren Aufstieg aber nichts wissen – noch waren 90 Minuten zu spielen und gerade der Fußball widerlegt oft die kühnsten Prognosen. Rapid spielte also in Bestbestzung und drückte. Obwohl man zur Pause nur mit 1:0 führte (Chancen gab es zur Genüge), war klar: Bei Tiflis war der Gedanke an ein Fußballwunder bereits verworfen. Also nützten die Hütteldorfer die Gelegenheit, boten den Zuschauern ein flottes Kombinationsspiel garniert mit vier weiteren Toren -5:0, damit rechneten im Vorfeld die wenigsten. Und viel wichtiger als der Kantersieg war die Erkenntnis: Man war im UEFA-Cup!Anderlecht. Belgischer Rekordmeister. Violett die Vereinsfarben. Ein Klub, der unbedingt in die Gruppenphase des UEFA-Cups wollte. Mehr brauchte es nicht, um zwei hitzige Spiele Rapids zu erahnen. Das Hinspiel in Brüssel stand unter weniger guten Sternen: Im Vorfeld gerieten mitgereiste Rapid-Fans an die belgische Exekutive, die aufgrund ihrer Arme des Gesetzes am längeren Ast saß und schlussendlich die Zahl der Fans im Auswärtsblock gehörig dezimierte. Wie auf der Tribüne, so auf dem Feld: Rapid lag schnell mit 0:1 zurück, eine Demonstration der Offensivstärke Anderlechts war zu befürchten.  Doch die Grün-Weißen besannen sich ihrer Tugenden, kämpften sich ins Spiel zurück und erzeugten Gefahr vor dem Tor der Hausherren. Auch die Rapid-Fans waren jetzt wieder im Aufwind, trieben die Mannschaft stimmgewaltig zum so wichtigen Auswärtstor – das Steffen Hofmann per Freistoß besorgte. Und damit eine Euphorie entfachte, die man über Belgiens Grenzen, über eine Zeitspanne von zwei Wochen trug, direkt transportiert ins Hanappi-Stadion zum Rückspiel. Wo die Begeisterung aber 90 Minuten später bei vielen der Enttäuschung  wich. „0:1 für Anderlecht“, prangte von der Anzeigentafel und Rapids Europacup-Träume waren beendet. Der belgische Meister stand gut, ließ wenig bis gar keine Chancen zu, und war, so Mario Bazina später „um das eine Tor besser.“ Auch wenn das Ausscheiden nachher schmerzte, es waren zwölf Stunden Europacup zu Rapids Historie hinzuzufügen: Stunden, die viele Tore, spannende Spiele, Emotionen aller Art boten. Und das sportliche Widerwort auf den medialen Tunnelblick, dass Rapid den UEFA-Cup verpasst hätte, boten. Eine Leistung, die sich nur die wenigsten vorher erhofft hatten. Die wenigen, das waren sie, die Rapid-Fans. (gub)
28.07.2015