Als sich der Bus mit der Rapid-Delegation am 1. Oktober vor dem Celtic Park in Glasgow einquietschte, spannte sich ein Transparent über die Backsteinfront: „There’s a buzz about the place“, ein Originalzitat des früheren Spielmachers Paul McStay.Freilich haben schon Legionen von Celtic-Stars vor und nach McStay diese spezielle, „brummende“ Stimmung in der altehrwürdigen Arena verspürt, die so manche glorreiche Europacupnacht erst möglich gemacht hatte. Besonders in der Saison 1966/67, als sich die „Hoops“ in Lissabon gar zum ersten britischen Meistercupsieger der Geschichte gekrönt hatten. Auch heute noch wird dieser Premiere vor mittlerweile 42 Jahren gedacht: Ein Wegweiser führt zur „Lisbon Lions“-Tribüne genauso wie zum „Jock Stein Stand“, in Anspielung auf den Erfolgstrainer, der die Löwen im Endspiel auf Inter Mailand gehetzt hatte. Und natürlich findet sich auch ein „67 Club“ im geschichtsträchtigen Areal.Den Treppenaufgang zur edlen Executive Suite schmückt ein Porträt von Martin O’Neill, der Celtic 2003 bis ins UEFA-Cup-Finale gecoacht hatte – ein letztes Aufflackern einstiger Größe. O’Neill? Ja, genau jener Betreuer, der heuer mit Aston Villa im Europa-League-Playoff gegen Rapid baden gegangen war. Der aktuelle Celtic-Trainer, Tony Mowbray, kommt leicht gefrustet rüber: „Das Celtic von heute und jenes, das 2003 das UEFA-Cup-Finale erreichte, sind zwei verschiedene Paar Schuhe. In finanzieller Hinsicht hat sich der Fußball extrem verändert.“Was der Engländer Mowbray meint: Er kann, wie auch der in den Händen einer Bank befindliche Erzrivale Glasgow Rangers, mit den großen Tieren nicht mithalten. 2003 hatte Celtic einen Henrik Larsson. Heute regiert das Mittelmaß, der Kader bleibt limitiert. Nicht einmal mit Burnley oder Wigan können Glasgows Grün-Weiße konkurrieren, wenn sie sich in Englands Premier League bedienen wollen. „Heutzutage müssen sie sich damit begnügen, einen überschüssigen Spieler von Charlton oder ein Talent aus Stockport zu verpflichten“, stochert der „Guardian“ in den Wunden.Der Konkurs des Pay-TV-Senders „Setanta“ im vergangenen Sommer hat alles nur noch verschlimmert. Auch wenn die Atmosphäre im Stadion unverändert prickelnd ist, hat Celtic, einst eines der heimstärksten Teams in Europa, von den letzten neun Europacup-Heimspielen nur zwei gewinnen können. Immerhin wurde heuer, als Warnung für Rapid, der Auswärtsfluch verjagt: In der Champions-League-Quali gelang in Moskau gegen Dynamo der erste Europacup-Sieg in der Fremde seit sechs Jahren. Über dem Durchschnitt sind – an guten Tagen – nur zwei Spieler: Vorne der rassige Grieche Georgios Samaras, der Europameister Otto Rehhagel zur ersten WM-Teilnahme verhalf, und hinten Polens Team-Goalie Artur Boruc. Boruc ist ein ewiger Hitzkopf – vielleicht Resultat seiner toughen Kindheit in Siedice, etwa 100 km von Warschau. Eine siebenköpfige Familie musste sich da im Plattenbau irgendwie Zimmer, Küche, Kabinett teilen. Der Fußball bewahrte ihn möglicherweise vor einem Abtauchen ins kriminelle Eck: „Ein paar Cousins sitzen im Gefängnis“. Artur selbst konnte der häuslichen Enge – 40 Quadratmeter – jederzeit entfliehen. Vor der Wohnanlage warf sich Boruc ins Getümmel, Bäume und Steine dienten als Torpfosten. Der Siegespreis, als es gegen die Buben im Viertel ging: eine Flasche Orangensaft. Bei den Profis von Legia Warschau durfte es dann schon mal Champagner sein. Die Großmutter hatte lange nicht an ein spritziges Happyend geglaubt: „Du wirst vom Fußball nicht leben können.“Heute  können beide darüber herzlich lachen. Im Sommer 2005 sanierte sich der heute 29-Jährige mit dem Transfer zu Celtic. Das 1:1 im Heimspiel gegen Rapid war bereits der 30. Europacup-Einsatz des Publikumslieblings. Jetzt kehrt er für das Duell um den dritten Gruppenplatz ins Happel-Stadion zurück. Die Gefühle sind gemischt: Bei der EURO 2008 brachte er zwar Österreichs Spieler wiederholt im Eins-gegen-Eins zur Verzweiflung, musste aber dann doch ein Last-Minute-Tor einstecken. EM-Oldie Ivo Vastic donnerte einen fragwürdigen Elfer zum 1:1 in die Maschen. Beide Teams schieden durch dieses Remis nach der Vorrunde aus – ein Schicksal, das Rapid und Celtic auch nach dem heutigen letzten Europa-League-Gruppenspiel teilen.Daten:Celtic FCGründungsjahr: 1888Größte internationale Erfolge: Europacupsieger im Landesmeisterbewerb 1967 (2:1 gegen Inter Mailand), Meistercup-Finalist 1970 (1:2 n.V. gegen Feyenoord mit Trainer Ernst Happel und Franz Hasil), UEFA-Cup-Finalist 2003 (2:3 n.V. gegen Porto)National: 42 schottische Meistertitel (der letzte 2008), 34 Cupsiege (der letzte 2007), 14 Ligacupsiege (der letzte 2009). (aj)
28.07.2015
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