Der Hamburger SV ist ein ähnliches Phänomen wie Rapids Playoff-Opfer Aston Villa: Die großen Erfolge liegen ebenfalls ein gutes Vierteljahrhundert zurück – Anfang der 1980er-Jahre. Wer damals Trainer war? Natürlich ein Ex-Rapidler: Der unvergessene Ernst Happel.An den Wiener „Wödmasta“, der in Norddeutschland zwischen 1981 und 1987 die Peitsche schwang, sollte niemand mehr auch nur annähernd herankommen: Meistercupsieg 1983 durch ein Traumtor von Felix Magath gegen Juventus in Athen, zweimal deutscher Meister und als Abschiedsgeschenk auch noch ein DFB-Pokalsieg.Der Pressing- und Abseitfallen-Apostel hatte alle an der Alster verzaubert, vom damaligen Manager Günter Netzer, der bis zum heutigen Tag in höchsten Tönen von Happel schwärmt, und dem Zwischendurch-HSV-Ausputzer Franz Beckenbauer bis zum famosen englischen Wuschelkopf Kevin Keegan, dem ersten Popstar im Fußballer-Biz.Vom 16. Jänner 1982 bis zum 29. Jänner 1983 blieben die Hamburger in 36 Spielen en suite ungeschlagen – noch immer Bundesligarekord. Angesichts solcher Serien und Triumphe konnte es sich der Grantler sogar leisten, die Bedürfnisse der Medien zu ignorieren. Netzer erinnert sich, „Blut und Wasser geschwitzt zu haben, wenn Happel zur Pressekonferenz mußte. Es bereitete ihm körperliche Schmerzen, mit Journalisten zu sprechen. Sein Rekord steht auf zehn Sekunden.“Selbst vor der „Bild“-Zeitung ging der Österreicher nicht in die Knie. Im Gegenteil, Happel zeigte dem gefürchteten Massenblatt die Rote Karte. „Bild“ mußte einen Helikopter chartern, um aus luftiger Höhe Fotos vom Geschehen am Trainingsgelände schießen zu können.Einigen der heutigen HSV-Stars mögen die Macken und Meriten des Ernst Happel nichts sagen, aber dafür ist ihnen das Happel-Stadion nicht fremd. Als Bayern-Spieler haben Ze Roberto und Paolo Guerrero vor vier Jahren Rapid zum Auftakt der Champions-League-Gruppenspiele genervt. Besonders Guerrero: Der Joker aus Peru nudelte die Kugel aus kurzer Distanz ins Tor von Helge Payer – 0:1, der Beginn einer verkorksten Champions-League-Kampagne für Grün-Weiß. Diesmal wird der Stürmer Rapid nicht weh tun können, da er verletzt ausfällt.Ein anderer Offensivkapazunder des HSV, der von Dortmund gekommene Mladen Petric, stürmte bei der EURO 2008 im kroatischen Teamdress gegen Österrreich und im Viertelfinale gegen die Türkei über das Grün des Happel-Stadions. Der 28-Jährige ist der wahrscheinlich vielseitigste Spieler der Hanseaten. Er parliert fünf Sprachen – kroatisch, Schwyzerdütsch, Deutsch, Französisch, Griechisch. Eindrucksvoll, wie auch sein fußballerisches Spektrum: Feine Klinge, Abstauber, Bombenschüsse. Auch vor Kopfballduellen schreckt er nicht zurück, was vor drei Jahren in einem UEFA-Cup-Spiel in Basel auch Middlesbrough-Kapitän Emanuel Pogatetz unsanft erfahren mußte: Die steirische Eiche wurde unabsichtlich gefällt – Nasen- und Jochbeinbruch. Und selbst im Tor stand der Torjäger – ebenfalls 2006 - schon mal seinen Mann: In Vertretung des ausgeschlossenen Basel-Keepers entschärfte Petric einen Elfer.Mit seinem linken Fuß und leicht fiebrig eingewechselt sorgte er am 21. November 2007 auch dafür, dass England nicht zur EURO durfte: 3:2-Goldtor im Qualifikationsspiel der Kroaten in Wembley. Last but not least provoziert Petric auch als Feierabend-Zauberer begeisterte „Aaahs“ und „Ooohs“. Seine Spezialität: Münzen- und Kartentricks. Ernst Happels beliebte Frage „Wos is, du Zauberer?“: Bei niemandem hätte sie besser gepaßt als bei Petric.Der aktuelle HSV-Höhenflug hat freilich nichts mit Kartenspielertricks zu tun. Schon unter dem holländischen Trainer Martin Jol – Nachfolger seines Landsmannes Huub Stevens – spielten die Hanseaten 2008/09 ihre beste Saison seit 26 Jahren: Semifinale sowohl im UEFA- wie auch im DFB-Cup (jeweils am Nord-Rivalen Werder Bremen gescheitert), Platz fünf in der Meisterschaft und damit Qualifikation für die Europa League.In der noch jungen Saison bewiesen die Jungs von Neo-Betreuer Bruno Labbadia, dass die Erfolgsmischung stimmt: Spielkultur gegen Dortmund und auswärts gegen Titelverteidiger Wolfsburg, schweißtriefender Malocher-Fußball gegen den 1. FC Köln. Nach fünf Runden marschiert der HSV wie in den goldenen Happel-Zeiten vorneweg. Und schon schallt es wieder unüberhorbar von den Rängen - das Lied, das vom „deutschen Meister HSV“ kündet.Steckbrief:Gründungsdatum: 1887Größte internationale Erfolge: Meistercupsieger 1983, Europacupsieger der Cupsieger 1977, UI-Cup-Sieger 2005, 2007National: 6 Mal deutscher Meister (1923, 1928, 1960, 1979, 1982, 1983)3 Mal DFB-Cupsieger (1963, 1976, 1987)2 Mal Ligacup-Sieger (1973, 2003)Stadion: HSH Nordbank Arena (57.000 Plätze)Mitglieder: 62.000Klublegenden: Uwe Seeler („Uns Uwe“), Willi Schulz, Manfred Kaltz, Horst Hrubesch, Felix Magath, Kevin Keegan, Manager Günter Netzer, Trainer Ernst Happel, Thomas Doll, Rafael van der Vaart, Kultmasseur Hermann Rieger.(aj)
28.07.2015
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